Bewegende Gedenkstunde zum Holocaust-Gedenktag 2025
„Es ist unsere Aufgabe, gemeinsam aus der Vergangenheit zu lernen. Wir müssen begreifen, dass wir die Welt aktiv gestalten können. So schaffen wir eine Welt, in der wir einander mit Würde begegnen, Demokratie und Menschenrechte schützen, Vielfalt fördern und Frieden schaffen“ (Morgan und Eleonor)
Die Schülerinnen der Vielfalt-AGs der Klosterschule und der Brecht-Schule gestalteten für 240 Schüler:innen aus den 10. und 11. Klassen beider Schulen am Freitag vor dem offiziellen Holocaust-Gedenktag eine vielseitige und bewegende Veranstaltung.
Am 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz widmete sich die Gedenkveranstaltung der Klosterschule und der Brecht-Schule einem besonders sensiblen und wichtigen Thema: den Opfern der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen, insbesondere den ermordeten Kindern mit Beeinträchtigungen. Auschwitz, ein Synonym für den Holocaust und die unfassbare Grausamkeit des NS-Regimes, mahnt uns bis heute, das Leid von Millionen Menschen nicht zu vergessen.
Unvorstellbar ist die Zahl der 6 Millionen Jüd:innen, die gezielt von den Nazis gequält und getötet wurden, um sie auszulöschen. Sie stellen unter den Ermordeten die größte Gruppe der Opfer dieser Verbrecher dar. Ebenso richtete sich der Hass der Nationalsozialisten auch gegen viele andere: Sintizze und Romnja, Schwarze Menschen, Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen, politische Gegner*innen, religiöse Minderheiten und viele andere, die nicht in das faschistische Weltbild der Nazis passten, wurden entrechtet, verfolgt, gefoltert und ermordet.
Zeitzeugin Antje Kosemund: Mahnung und Erinnerung
Im Mittelpunkt der Gedenkstunde stand das Interview mit der 96-jährigen Zeitzeugin Antje Kosemund, die von Anouk und Lauryn interviewt wurde. Ihre Schwester Irma, die eine geistige Behinderung hatte, wurde während der nationalsozialistischen Herrschaft Opfer des „Euthanasie“-Programms und von den Nationalsozialisten ermordet. Frau Kosemund berichtete eindringlich über diese menschenverachtende Zeit und teilte ihre jahrzehntelange Arbeit, Gedenkstätten und Gräber für die anonym verscharrten Opfer zu schaffen sowie deren Namen sichtbar zu machen. Immer wieder betonte sie, dass die Geschichte ihrer Schwester nur eine von vielen unsichtbaren Geschichten sei. 300.000 Menschen mit Behinderung wurden in dieser Zeit getötet, weit über eine halbe Million zwangssterilisiert.
Ihr leidenschaftlicher Appell ging an die Schüler:innen im Publikum:
„Schaut hin, tut euch zusammen und werdet aktiv!
Lasst nicht zu, dass Menschen ausgegrenzt werden – egal, ob sie eine andere Hautfarbe haben, einer anderen Kultur angehören oder eine andere Lebensweise führen. Schaut hin, tut euch zusammen und lasst es nicht geschehen.
Die Anfänge sind schon keine Anfänge mehr. Wir sind mittendrin in einer gefährlichen Lage, in der all das, was wir einst erleben mussten, zurückkehren könnte. Und deswegen gerade ihr jungen Menschen – das ist eure Zukunft – tut euch zusammen, seid renitent, werdet laut, wenn Unrecht geschieht, und informiert euch!“ (Antje Kosemund)
Mit Ausschnitten aus Thorsten Wagners neuem Dokumentarfilm „Wir dürfen es nicht vergessen“ über Frau Kosemund konnten die Berichte von Frau Kosemund visualisiert werden. Der Film feierte beim letzten Hamburger Filmfest Premiere und wird in diesen Tagen im Metropolis-Kino sowie in der Hamburger Nikolai-Kirche präsentiert.
Der ehemalige Klosterschüler Paul Veit über das mit dem Bertini-Preis prämierte Theaterstück zu Euthanasie „Reichsausschusskinder“
Um zu zeigen, was auch junge Menschen in diesem Bereich bewegen können, wurde der der ehemalige Schüler Paul Veit eingeladen. Vor sieben Jahren hatte er an der Klosterschule mit der Theater-AG das Stück „Die Reichsausschusskinder“ entwickelt. Das Stück, das auf Verhandlungsunterlagen basiert, beleuchtet eindringlich die Verbrechen an Kindern mit Behinderung in Hamburg und zeigt, wie mit diesem Unrecht und den Tätern nach dem Krieg umgegangen wurde. Paul Veit schilderte eindrucksvoll, warum es sich lohnt, sich auch mit schweren Themen zu befassen und sich zu engagieren. Seine Worte zeigten, wie sehr solche Projekte das eigene Leben prägen und zur Bereitschaft führen, aktiv Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen.
Berührende künstlerische Beiträge
Einen besonderen Höhepunkt bildete die Tanzperformance von Lisa Marie Trense mit Schülerinnen der 8. Klasse der Brecht-Schule. Auf eine berührende und wunderbare Weise setzte sie das Thema der Gedenkveranstaltung um. Ihre Performance, inspiriert von den Geschichten der Opfer und der Bedeutung des Erinnerns, zog das Publikum in ihren Bann und vermittelte die emotionale Schwere des Themas auf eindrucksvolle Weise.
Musikalisch wurde die Veranstaltung durch ein Stück „Vertraut“ aus dem Fim „Jenseits der Stille“ am Klavier von Stefan Päßler und Emmelie an der Klarinette untermalt. Den Abschluss bildete Ida von der Klosterschule, die auf der Gitarre Konstantin Weckers „Sag Nein“ spielte – ein eindringlicher Aufruf an die Jugend, sich gegen Unrecht zu stellen.
Appell der Vielfalt-AGs:
„Remember the past, create the future!“ – In Richtung einer besseren Zukunft
Alles begann mit Sprache, mit Worten. Worten wie lebensunwert, fremd, behindert, asozial. Diese Worte machten es möglich, Menschen auszugrenzen, ihnen ihre Rechte zu nehmen – und sie letztlich zu ermorden. Worte waren die Vorstufe der Taten.
Und genau hier kommen wir ins Spiel. Auch heute hat Sprache Macht. Vielleicht hast du selbst schon mal aus Spaß gesagt: „Bist du behindert?“ oder „Das ist ja voll schwul.“ Vielleicht hast du „Spasti“ gerufen oder online einen Fake-Kommentar gelesen – oder sogar selbst geschrieben. Du hast vielleicht gedacht, das sei doch nicht so schlimm. Es sei doch nur Blödsinn.
Aber Worte sind nie nur Worte. Sie können verletzen, ausgrenzen und Hass verbreiten. Und aus Worten können Taten werden – wenn niemand stoppt, was sie anrichten.
Da es mit Worten begann, muss es auch mit Worten enden. Auch deshalb sitzen wir heute hier, um uns bewusst zu machen, wie wichtig es ist, respektvoll und wertschätzend miteinander umzugehen. Wir müssen verstehen, dass wir alle Verantwortung tragen – nicht nur für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir sagen.
Dank und Zusammenarbeit
Ein großer Dank gilt der Klosterschule, die mit ihrer großen Aula und dem engagierten Schülerinnen-Technik-Team einen reibungslosen Ablauf ermöglicht hat. Besonders hervorzuheben ist die freundliche und zugewandte Unterstützung, die das gesamte Team auch bei der ganzen Aufregung, kurzfristigen Änderungen und Unsicherheiten gezeigt hat. Die Zusammenarbeit wurde von allen Seiten als sehr angenehm und kooperativ empfunden.
Unser Dank gilt auch Sarah Ahrens, Frances Heller und Eva Pruss Romagosa, die als Koordinatorinnen für die Gedenkveranstaltung zum Erfolg dieses Projekts beigetragen haben.
„Remember the past, create the future!“ Beide Vielfalt-AGs freuen sich bereits auf weitere gemeinsame Projekte.