Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus
Am 25. Januar fand zum zweiten Mal an unserer Schule die „Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus“ statt. In der überfüllten Aula folgten die 240 Schülerinnen und Schüler aufmerksam der Veranstaltung, die von der Vielfalt-AG organisiert und durchgeführt wurde.
Auf dem Podium begrüßte der Geschäftsführer Andreas Haase die geladenen Gäste Barbara Brix vom Vorstand des „Freundeskreis KZ Neuengamme“ und den Zeitzeugen und Poetry-Slammer Claus Günther.
Die Schülerinnen Anouk Fischer, Lauryn Abubakari und Josefina von Bronk aus der G9b führten sensibel und verantwortungsvoll in das Thema ein und erläuterten, dass der 27. Januar als der internationale Holocaust-Gedenktag gilt, an dem an alle Menschen erinnert wird, die vor etwa 80 Jahren unter den Grausamkeiten der Nationalsozialisten leiden mussten oder gestorben sind. Die meisten der von den Nazis verfolgten Menschen waren Juden. Andere Opfergruppen waren Sintizze und Rom:nja, Menschen mit Behinderungen, politische Gegner:innen des Nationalsozialismus, queere Personen, Widerständler:innen und auch alle anderen Menschen, die nicht den menschenverachtenden Vorstellungen der Nazis entsprachen. Alle diese Menschen wurden systematisch von den Nazis verfolgt, ausgebeutet, gequält und getötet.
Die Moderatorinnen zeigten bereits bei der Einführung zu dem diesjährigen thematischen Schwerpunkt, dem „KZ-Außenlager Spaldingstraße“, dass sie durch die wochenlange inhaltliche Vorbereitung mittlerweile zu Expertinnen geworden sind.
Lisa-Marie Trense (G8b) und Jordana Mouratatis (G9c) verlasen bewegend auf der Bühne ein Weihnachtsschreiben des dänischen Überlebenden Kaj V. Dahl.
Auf die Frage „Warum sollten wir gedenken?“ wurden Antworten gesammelt:
- Um alten und neuen Gefahren entgegenzutreten.
- Um sich für Werte wie die Achtung der Menschenrechte einzusetzen.
- Weil wir zwar nicht für das Vergangene verantwortlich sind, aber dafür, was wird.
Auch die „Hosts“ Jonas und Ida der letztjährigen Gedenkfeier unterstrichen die Statements und gedachten mit Kerzen der Opfer des Nationalsozialismus.
Sie alle erreichten durch ihr ehrliches Anliegen, sich mit diesem schweren Thema auseinanderzusetzen das Publikum, was an der gespannten Ruhe in der Aula zu spüren war. Sie haben gezeigt, dass junge Menschen in der Lage sind, sich für die Erinnerungskultur kreativ einzusetzen und ihre Fähigkeit, das Thema mit Respekt und Empathie zu behandeln, ist bewundernswert.
Musikalisch wurde die Veranstaltung vom Juniorstudenten der Berliner Universität der Künste Alexander Polinskiy (G9b) auf der Violine und dem Masterstudenten Jon Ju Park am Klavier begleitet. Mit bemerkenswertem Feingefühl trugen sie Stücke aus dem Zyklus Baal Shem von Ernest Bloch und die Vokalise von Rachmaninov vor, die der Gedenkstunde einen würdevollen Rahmen gab.
Barbara Brix, inzwischen pensionierte Geschichtslehrerin des Gymnasiums Klosterschule, ist seit Jahren im Vorstand des “Freundeskreis KZ Neuengamme”, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Andenken an die Opfer des Nationalsozialismus des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme wachzuhalten und durch Bildungsarbeit und Veranstaltungen das Bewusstsein für die historischen Ereignisse zu schärfen.
Als Historikerin hat sie sich auf die Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus spezialisiert und hat sich insbesondere für die Anbringung der Gedenktafeln im Stadtteil Hammerbrook in der Spaldingstraße 156 -158 eingesetzt.
In der Spaldingstraße im jetzigen A&O Hostel, kaum 300 Meter von der Brecht- Schule Hamburg entfernt, wurde die KZ-Außenstelle im November 1944 in den Räumen einer ehemaligen Tabakfabrik errichtet. 2000 Gefangene wurden dort unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen untergebracht, und mussten für die Stadt Hamburg Zwangsarbeit in der Umgebung verrichten. 800 von ihnen starben an und unter diesen Umständen. Kommandant war der SS-Obersturmführer Arnold Strippel, der alle Nebenlager von Neuengamme beaufsichtigte und unter anderem die Morde an den Kindern vom Bullenhuser Damm befohlen hatte.
Barbara Brix und ihre Schülerinnen und Schüler haben sich mit der Recherche und Aufarbeitung dafür eingesetzt, dass die Geschichte des Außenlagers Spaldingstraße sichtbar gemacht wird und damit beigetragen, dass sich zukünftige Generationen über die schrecklichen Ereignisse auch in unserer unmittelbaren Nachbarschaft informieren können.
Im letzten Teil des Interviews erzählte uns dann Barbara Brix von ihrer persönlichen Familiengeschichte, von der sie erst kurz vor ihrer Pensionierung erfuhr: Ihr eigener Vater war nicht, wie sie angenommen hatte, als Arzt bei der Wehrmacht gewesen, sondern gehörte zu den mörderischen Einsatztruppen der SS in der Ukraine. Seither befasst sie sich auch mit dem Umgang dieser „Erbschaft“, welche Bedeutung die Entdeckung, dass die eigenen Vorfahren Täter waren, für die eigene Identität, die der Familie und letztendlich auch für die gesellschaftliche Identität haben kann.
Als Wunsch für die Zukunft gab Frau Brix uns mit, dass die „Achtung“ vor dem anderen für sie der Grundbaustein für eine friedfertige Gesellschaft sei.
Der zweite geladene Gast Claus Günther ist nicht nur Zeitzeuge von der Zeitzeugenbörse, sondern auch Autor und der älteste Poetry-Slammer Deutschlands. Nach der Videoprojektion des Gedichts „Stolpersteine“ schilderte er lebhaft seine Erfahrungen als nicht verfolgte Person des NS-Regimes. Herr Günther berichtete anhand von Bildern seiner indoktrinierten Schulfibel von seiner Schulzeit und welche Auswirkungen das Schweigen nach 1945 auf seine Umgebung und auf ihn hatte. Er betonte die Wichtigkeit, dass sich junge Menschen mit dieser Vergangenheit auseinandersetzen und engagieren, damit so etwas nie wieder passiert.
Auf Youtube sind unzählige Beiträge von Claus Günther zu sehen und es wurde sogar eine Dokumentation in der ARD über ihn ausgestrahlt. Als Buchautor und aktiver Poetry-Slammer erreicht er ein großes und auch junges Publikum. Die Moderatorinnen zeigten sich beeindruckt, wie sich Herr Günther seit über 25 Jahren als Zeitzeuge an Schulen einsetzt: Über 5000 Schülerinnen und Schüler haben er, seine Kolleginnen und Kollegen bisher erreicht. Und nun auch uns!
Zum Ende der Veranstaltung trug Herr Günther sein Gedicht “Fundstücke” eindrücklich und bewegend vor. Es handelt von seinen Erfahrungen während der NS-Zeit und seinem persönlichen Kampf gegen das Vergessen (s.u.).
Seine Worte und seine Performance hatten eine tiefe Wirkung auf das Publikum und trugen dazu bei, die Botschaft der gesamten Veranstaltung zu verstärken, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten und sich für Gerechtigkeit und Toleranz einzusetzen.
Mit einem herzlichen Beifall dankten die aufmerksamen Schülerinnen und Schüler den Gästen und den Veranstalterinnen der Gedenkstunde und einige von ihnen suchten mit den Gästen im Anschluss das Gespräch.
Ein Dank geht an alle Beteiligten der Vielfalt-AG, an Matti Bliß (G8b) für die Technik und an Nicole Mattern von der Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm für die inhaltliche Beratung sowie an Eva Pruss Romagosa für das Coaching und die Organisation.